Sechs Stühle - eine Meinung

Drei Reckenfelder und drei Grevener gründeten 2005 die Handballfreunde. Die Ex-09er Andreas Krumschmidt und Andy Storkebaum (1. und 3.v.l., obere Reihe) sind heute noch im Vorstand, ebenso die SCRler Torsten Hirsch und Alfons Teigeler (1. und 3.v.l., untere Reihe). Foto: HF
09.04.20

Sternstunden des Sports: Als aus Rivalen (Handball-)Freunde werden

 

Wenn Olli Dittrich und Wigald Boning sich bei der unvergessenen RTL-Samstagnacht zur Talkshow-Parodie "Zwei Stühle - eine Meinung" trafen, blieb in den Wohnzimmern der Republik kaum ein Auge trocken. Es müsste also dreimal so lustig zugegangen sein im Landhaus Rickermann, rein mathematisch betrachtet. Denn: "Sechs Stühle - eine Meinung!", erinnert sich Andy Storkebaum, heute Geschäftsführer der Handballfreunde und dereinst Teil der fröhlichen Runde. Mit ihm trafen sich an diesem Abend im Sommer 2004: Andreas Krumschmidt, Markus Wiening, Torsten Hirsch, Alfons Teigeler und Peter Jendroska. Machte nach Adam Riese drei Handballer von Greven 09, drei vom SC Reckenfeld - und das, schwante allen, konnte ja heiter werden. Denn: "Die beiden Klubs pflegten schon eine gesunde Rivalität", berichtet Storkebaum.

Es stiegen fetzige Duelle der ersten Herrenmannschaften, bei denen die Extraportion Derby-Adrenalin nicht nur einmal für kuriose Wendungen sorgte. Aufeinandertreffen der Drittvertretungen, bei denen es - okay, vielleicht nicht auf die Zwölf - aber doch locker auf die Zehneinhalb gab. Oder Miniturniere, bei denen Eltern Pizza spendierten, wenn ihre Kleinen den ungeliebten Nachbarn putzten. In der Rickermannschen Außengastronomie waren es einzig die Bedenken, die weggeputzt wurden: "Wir hatten verrückterweise genau die gleichen Pläne." Pläne gegen die Krise, in der sich der lokale Herrenhandball befand. Während die 09-Zweitligadamen (letztlich erfolglos) die Ausfahrt Richtung erste Bundesliga suchten, standen die Männer auf der Gegenspur im Stau: "Die Perspektive war schlecht", erzählt SCR-Zeitzeuge Torsten Hirsch.

In die Jahre gekommene Herrenteams. Hier wie dort Junioren-Mannschaften, die wegen Spieler- und Trainermangels auf der Kippe standen. Kaum noch ehrenamtliche Manpower. Alle, denen der Grevener Männerhandball noch was bedeute, trommelte der Arbeitskreis im März 2005 zusammen. Sogar der Schauplatz war mit Bedacht gewählt: die Nielandschänke. "Ziemlich genau zwischen Reckenfeld und Greven City", schmunzelt Storkebaum.

Dort fiel das Votum eindeutig aus: Mit 73:1 Stimmen sprach sich die Versammlung für die Gründung einer Spielgemeinschaft aus. Es folgten kurze Vertragsverhandlungen mit 09 und dem SCR, wie das Modell denn nun genau funktionieren sollte. Und schon am 9. April 2005 startete die erste gemeinsame B-Jugend ins Abenteuer, mit dem Quali-Turnier zur Bezirksliga. Genau diese Jungs hatten einen Monat zuvor noch gegeneinander gezockt. Kaum ein Jahr war vergangen seit der ersten Idee. Ob die übrigens im wahrsten Sinne des Wortes aus einer Bierlaune heraus entstanden war, oder ob die Beteiligten bei einer kleinen Fanta blieben - das ist nicht überliefert: Dass aber SCR-Mann Jendroska und 09-Torwart-Urgestein Andreas Rottmann den ersten Kontakt auf einer Geburtstagsfete knüpften, weiß man noch.

Gefeiert wurde seitdem so einiges: ein Bezirksliga-Aufstieg. 13 Beachcup-Partys. Zum zehnten Geburtstag kam der TV Emsdetten für ein Freundschaftsspiel zu Besuch. Seit der Saison 2015/2016 sind die HF nicht mehr Spielgemeinschaft, sondern eingetragener Verein. Als dessen Filetstück - wer hätte das damals gedacht? - sich längst die Jugendabteilung und die vielen Ehrenamtlichen präsentieren. "Das sind inzwischen locker 40 Leute, die immer wieder neue Impulse reinbringen", freuen sich Hirsch und Storkebaum. Vier der Gründungsväter - nämlich Krumschmidt, Teigeler und sie selbst - mischen heute noch im Vorstand mit. Zu Markus Wiening besteht noch reger Kontakt. Die Fotos von 2005, sie sehen aus heutiger Sicht irgendwie aus wie eine Hommage an die ersten Stunden des Farbfernsehens. Die Erinnerung an die turbulente Startphase aber ist noch lebendig. Und die Begeisterung für die gemeinsame Sache erst recht.

 

Von Stefan Bamberg

Quelle: Westfälische Nachrichten